Alles Entstandene hat in der unvorstellbar großen Vielfalt aller Erscheinungsformen eine Funktion. Dies ist die Rolle, die es zu erfüllen hat. Egal was wir betrachten, einen Stein, ein Tier, eine Pflanze, einen Himmelskörper, ein Atom oder irgendeine Form von Energie: Alles hat seine Rolle in dieser Welt und verkörpert diese. Bei genauer Betrachtung kann man erkennen, dass es sich nicht um isolierte Rollen handelt, die zufällig entstanden sind, sondern um eine gigantische Symbiose, in der alles mit allem auf verschiedenste Arten in Verbindung steht.

Weiters wird man erkennen, dass es bei jeder Rolle einen allgemeinen und einen individuellen Teil gibt. Zum allgemeinen Teil von Steinen gehört beispielsweise, dass sie dem Boden Festigkeit verleihen. Das tut jeder Stein. Darüber hinaus gibt es aber auch einen individuellen Teil, der jeden Stein zu einem Unikat macht, das es in genau der gleichen Form kein zweites Mal gibt. Die unzähligen Erscheinungsformen verkörpern und leben ihre Rolle einfach, ohne dass sie sich dessen bewusst sind. Wir Menschen sind da eine kleine Besonderheit, denn wir können uns unserer Rolle bewusst werden. Aber auch unsere Rolle hat diesen allgemeinen und den individuellen Teil.

Betrachten wir einmal den allgemeinen Teil unserer Rolle als Menschen. Wie könnte er aussehen? Welche Rolle verkörpern wir, die für alle Menschen gleich ist?  Ich denke, dass es unter anderem die Fähigkeit ist, dass wir uns unserer Existenz bewusst sind und nach der Quelle des Lebens suchen. Der Großteil meines Buches „Bewusst Leben – Dein Weg des Erkennens“ ist diesem allgemeinen Teil unserer Rolle gewidmet. Von einem anderen Blickwinkel betrachtet, könnte man auch sagen, dass es das Bewusstsein des Nichtmanifesten ist, das sich durch uns seiner Existenz bewusst wird.

Der allgemeine Teil unserer Rolle ist also unter anderem, dass wir die Brücke zwischen der formlosen, reinen Energie, der Quelle des Lebens, zur manifesten Welt der unzähligen Erscheinungsformen bilden. Menschen denen diese Rolle bewusst wurde, werden in vielen religiösen und spirituellen Schriften ausführlich beschrieben und verehrt. Es schien lange Zeit so, als würde dieser Bewusstwerdungsprozess nur sehr wenigen Menschen vorbehalten sein, doch nun stellt sich heraus, dass dies ein allgemeines Gut ist, das grundsätzlich jedem Menschen zur Verfügung steht.

Das einzige, was uns daran hindert, ist unser ständig anhaltender Gedankenlärm, den wir selbst verursachen. Sehen wir uns vorerst noch den individuellen Teil unserer Rolle an. Welche Rolle sollen wir als Individuum erfüllen? Mit anderen Worten, was ist unsere Bestimmung? Diese Frage lässt uns meist an die Zukunft denken. Was soll einmal aus mir werden? Wofür bin ich bestimmt?  Doch tragischerweise sind es die Gedanken an die Zukunft, die uns am meisten von unserer individuellen Rolle ablenken. Sie sind nichts weiter als eine Vorstellung in unserem Kopf.

Die Gedanken verdecken den einzigen realen Kontakt zur Wirklichkeit, der „Gegenwart“. Es ist dieser jetzige Augenblick, in dem wir die reale Welt erleben. Er bildet die Gesamtheit unserer individuellen Rolle. Ihm schenken wir aber kaum Beachtung. Was geschieht eben jetzt in diesem Moment? Sie lesen. Genau dies ist Ihre persönliche individuelle Rolle in diesem Augenblick. In einer halben Stunde ist es wieder etwas anderes. Das ist natürlich nichts besonderes, unspektakulär wie viele andere Dinge in unserem Alltagsleben. Wenn dies der Fall ist, schätzen wir unsere individuelle Rolle nicht sonderlich, sie erscheint uns dann oft als lästiges Nebenprodukt unserer Existenz.

Sehen wir uns den jetzigen Augenblick genau an, so werden wir erkennen, dass wir das, was wir eben erleben, gar nicht mehr ändern können. In dem Moment, wo wir das Erlebnis mit unseren Sinnen erfassen, ist es bereits geschehen, anderenfalls könnten wir es gar nicht erfassen. Wir können unsere Handlungen bewusst steuern, doch das, was wir eben erleben, ist bereits geschehen. Wenn wir diese Tatsache nicht anerkennen, dann kämpfen wir ständig gegen die Realität, ohne dass wir es merken. Aber wenn wir das, was bereits der Fall ist, akzeptieren, öffnen wir uns für unsere individuelle Rolle. Plötzlich beginnt das Leben leichter zu werden. Je mehr Widerstand wir gegen unsere Rolle aufbringen, desto mehr leiden wir. Nun können wir diese Tatsache akzeptieren, oder wir können uns dagegen wehren. Wir werden feststellen, dass das Leben wesentlich angenehmer wird, je mehr wir annehmen, was ohnehin bereits so ist, wie es ist. Das bedeutet nicht, dass wir uns nicht entwickeln sollen oder dass wir uns alles gefallen lassen müssen. Es bedeutet nur, dass wir unsere Rolle annehmen. Tiere, Pflanzen und all die vielen Erscheinungsformen tun dies ganz selbstverständlich, aber unbewusst.

Wir Menschen können uns bewusst für unsere individuelle Rolle entscheiden. Wenn wir nun sehr erfolgreiche Menschen beobachten, werden wir feststellen, dass sie sich bei ihrer Tätigkeit voll und ganz auf diesen jetzigen Augenblick konzentrieren. Ob es sich nun um einen Spitzensportler, um einen brillanten Wissenschaftler, um einen begnadeten Musiker oder sonst jemanden handelt, der etwas ganz besonders gut kann.

Sie sind einfach eins mit dem, was sie tun. Weiters werden wir bemerken, dass es auch Menschen gibt, die bei den allereinfachsten Verrichtungen vollste Freude entwickeln, auch sie sind einfach eins mit dem, was sie tun. Das Eins-werden mit der Gegenwart, also mit dem, was wir in genau diesem Moment erleben, eröffnet uns den Sinn unserer Existenz. Nicht durch Worte und Gedanken, sondern durch das intensive Erleben dieser Welt. Wer dies einmal erkannt und erlebt hat, wird auch in den einfachsten Verrichtungen Freude und Sinn erleben. Wer das nicht erkennt, wird der Freude im Leben nachlaufen, wie ein Esel der Karotte am Stiel. Egal was er anstrebt, egal welches Ziel er erreicht, er wird immer das Gefühl haben, dass es noch zu wenig ist. Selbst wenn er es zu materiellem Luxus bringt, wird er als Millionär immer wieder Mangel und Frustration erleben. Der Mensch, der seine individuelle Rolle bewusst lebt, wird auch die Vernetzung in der gigantischen Symbiose mit dem Ganzen erkennen.

Mögen Sie sich stets ihrer individuelle Rolle bewusst sein!

wünscht sich Ihr Wolfgang Wieser

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